Das Klimaschutzgesetz ist ein zentrales Vorhaben der baden-württembergischen Landesregierung. Nun hat die Beratung im Landtag begonnen: Am 30. September 2020 fand die erste Lesung statt. Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (Plattform EE BW) sieht Licht, aber auch viel Schatten bei dem Gesetzesentwurf und pocht auf Nachbesserungen. So seien die Solarpflicht für Nichtwohngebäude und die kommunale Wärmeplanung wichtige Eckpfeiler für mehr Klimaschutz, betont Geschäftsführer Franz Pöter. Jedoch entsprächen die Treibhausgas-Reduktionsziele nicht mehr dem Stand von Politik und Wissenschaft. Außerdem fehle ein Maßnahmenpaket dazu. Das Klimaschutzgesetz ohne das noch nicht neu aufgelegte Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) sei nur ein zahnloser Tiger. Hier müsse man dringend nachsteuern, sonst fehle der Kompass für die nächste Legislaturperiode.
Das Landeskabinett in Baden-Württemberg hatte bereits Ende Juli das neue Klimaschutzgesetz zur Beratung im Landtag freigegeben. Am 30. September fand nun die erste Lesung statt, am 1. Oktober folgt die Anhörung von Expertinnen und Experten. Die Novelle sieht eine Photovoltaik-Pflicht für neue Nichtwohngebäude ab 2022 vor, die solare Überdachung von neuen Parkplätzen sowie eine Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung. „Baden-Württemberg nimmt damit eine bundesweite Vorreiterrolle ein“, lobt Franz Pöter. „Die anderen Bundesländer haben das noch nicht.“ Das Totalversagen beim Bau von Windparks im Land kann so aber nicht im Ansatz ausgeglichen werden.
Für die Photovoltaik soll das Flächenpotenzial etwa von Bürogebäuden, Lager- und Produktionshallen sowie Parkhäusern genutzt werden. Auch neue Carports sollen einen spürbaren Beitrag zur Erzeugung von Ökostrom und zur Flächenschonung leisten. Die rund 100 größten Städte und Gemeinden werden zudem verpflichtet, bis Ende 2023 eine kommunale Wärmeplanung vorzulegen. Ziel ist ein höherer Anteil erneuerbarer Wärme, beispielsweise durch innovative Quartierskonzepte oder den Ausbau von Wärmenetzen. „Nur mit spürbar mehr erneuerbar gespeisten Wärmenetzen und Wärmespeichern und einer Kopplung zwischen Strom und Wärme ist die jetzt notwendige Wärmewende denkbar“, bringt es Jörg Dürr-Pucher, Vorstand der Plattform EE BW, auf den Punkt.
Ziele zu schwach, zu wenige Maßnahmen
Neben den Fortschritten gebe es aber auch einiges zu kritisieren, sagt Jörg Dürr-Pucher. Die Ziele im Klimaschutzgesetz spiegelten nicht mehr den Stand der fachlichen und politischen Diskussion wider. Kürzlich haben sowohl die deutsche Bundesregierung als auch die EU-Kommission eine Klimaneutralität bis 2050 gefordert. Baden-Württemberg geht bislang nur von einer Treibhausgasreduktion um 90 Prozent bis zur Mitte des Jahrhunderts aus. „Werden das Zwischenziel 2030 und das Ziel 2050 jetzt nicht entsprechend angepasst, muss die nächste Landesregierung mit Verspätung nachsteuern. Das ist nicht sinnvoll und schlecht für das Klima“, so Dürr-Pucher.
Ein weiterer Kritikpunkt aus Sicht der Plattform EE BW ist das Fehlen einzelner Ziele für die zwölf Regionen oder die 44 Stadt- und Landkreise im Südwesten als Orientierungspunkt. So sei unklar, wieviel die Regionalverbände zum Ganzen beitragen müssten. Auch fehle ein weitergehendes aktualisiertes Maßnahmenpaket über die PV-Pflicht und die kommunale Wärmeplanung hinaus, kritisiert Franz Pöter. „Das für das Arbeitsprogramm der nächsten Jahre zuständige Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept IEKK wurde nicht neu aufgelegt, obwohl nach eineinhalb Jahren Bürgerbeteiligungsprozess mehr als genug ausgearbeitete Vorschläge vorliegen. Dass es nach 18 Monaten nicht gelungen ist, sich in der Landesregierung auf konkrete Klimaschutzmaßnahmen zu einigen, ist ein Armutszeugnis für Grün-Schwarz“, so Pöter.
In Sonntagsreden werde der Klimaschutz hochgehalten, unter der Woche gebe es jedoch zu wenig Mut, dies in konkrete Maßnahmen zu überführen, erklärt Pöter. Um dieses Manko zu ändern, sollten verbindliche Ausbaumengen für alle erneuerbaren Energien in das Gesetz aufgenommen werden. Die Plattform EE BW schlägt für die Photovoltaik ein Gigawatt pro Jahr, jährlich 500 Megawatt für die Windenergie und die Stabilisierung für die Wasserkraft und Bioenergie für dieses Jahrzehnt vor.
Ein weiteres Beispiel für mehr Klimaschutz sei der Austausch ungeregelter Heizungspumpen. Hier brauche es eine ordnungsrechtliche Vorgabe für einen verpflichtenden Austausch bis 2025. In vielen Haushalten ist die Heizungspumpe veraltet und ungeregelt. Dann läuft sie an mehr als 200 Tagen im Jahr rund um die Uhr, sogar wenn die Heizkörperventile zugedreht sind. Mit jährlichen Kosten von bis zu 160 Euro gehören diese Oldies zu den größten Stromverbrauchern im Haushalt. Moderne Hocheffizienzpumpen dagegen verbrauchen rund 90 Prozent weniger Strom. Ein Tausch lohnt sich in der Regel nach weniger als drei Jahren. Wären alle Heizungspumpen in Deutschland auf dem Stad der Technik, könnte man bundesweit drei bis vier große Kohlekraftwerke ersatzlos abschalten.
Klimaschutzgesetz mit wenigen Ambitionen
Kernpunkt des Klimaschutzgesetzes im Südwesten ist die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 42 Prozent bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990. Um den Anforderungen der Pariser Klimaschutzvereinbarung halbwegs gerecht zu werden und die aktuelle Diskussion auf Bundes- und EU-Ebene im Ansatz abzubilden, muss das baden-württembergische Zwischenziel für die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen jedoch auf mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 festgelegt werden. Bis 2050 sollte es von 90 auf 100 Prozent steigen.
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(Foto: Geniusksy /Shutterstock)