Angesichts jüngster Debatten, im Falle von Atomstrom während des Wahlkampfes und den von der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche anvisierten 20-GW-Gaskraftwerksleistung fordert das Solar Cluster Baden-Württemberg e. V. eine Versachlichung der Debatte.
Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Erneuerbare Energien sind inzwischen deutlich kostengünstiger als Atomkraft – sowohl in Deutschland als auch international. Kein deutscher Energieversorger hat Interesse an einer erneuten Inbetriebnahme alter AKWs. Der Rückbau ist weit vorangeschritten, wodurch es technisch nicht machbar ist, mit alten Anlagen wieder Strom zu erzeugen. Ein Blick auf die Nachbarn zeigt: Neue Atomkraftwerke sind extrem teuer und sehr zeitaufwendig.
Atomkraftwerk. | geplante Bauzeit und Kosten | Tatsächliche Bauzeit und Kosten |
Flamanville (1,6 GW) | 5 Jahre, 3,3 Mrd. € | 17 Jahre, 23,7 Mrd. € |
Okiluoto (1,6 GW) | 5 Jahre, 3,0 Mrd. € | 18 Jahre, 12,0 Mrd. € |
Hinkley Point C (3,2 GW) | 8 Jahre, 21,0 Mrd. € | ca. 15 Jahre (noch nicht fertig), 56,0 Mrd. € |
Hinkley Point C weist laut britischem CfD-Register einen garantierten Abnahmepreis in Höhe von 15,14 ct/kWh auf (letztes Update: 01.04.2025). Bis zur geplanten Inbetriebnahme im Jahr 2027 soll der garantierte Abnahmepreis inflationsbedingt auf 16,65 ct/kWh steigen. An der Strombörse EEX werden heute schon Stromlieferungen für das Jahr 2027 gehandelt. Der Strompreis für die gehandelten Jahreslieferungen für das Jahr 2027 (Baseload) beträgt 8,12 ct/kWh (Stand: 26.05.2025). Der Atomstrom wäre damit doppelt so teuer wie der Strommarktpreis.
Die vieldiskutierten Small Modular Reactors gibt es nicht, vielleicht sind sie in 40-50 Jahren marktreif. Weiterhin lassen sich Atomkraftwerke – wie schon die Kohlekraftwerke – aufgrund ihrer sehr eingeschränkten Flexibilität kaum mit Erneuerbaren kombinieren. Vollzieht man eine erneute Energiewende, dreht man sich im Kreis.
Ähnlich verhält es sich mit dem Vorhaben der zukünftigen Bundesregierung, 20 GW Leistung an Gaskraftwerken bis 2030 ans Netz anzuschließen. Als Backup der Erneuerbaren sind Gaskraftwerke geeignet, müssen aber so schnell als möglich mit PtG-Brennstoffen aus erneuerbarem Strom betrieben werden. Stromerzeugung mit Gaskraftwerken darf keinesfalls Strom aus erneuerbaren Energien aus dem Netz verdrängen. Effizienz durch Maßhalten – bedarfsgerecht statt überdimensioniert.
Im Wärmebereich für private Haushalte ist eine Gasheizung aus zwei Gründen besonders unattraktiv: Steigende CO2-Preise und steigende Gas-Netzentgelte. In manchen Städten wird bereits 2035 bis 2040 die Gasversorgung mit fossilen Gasen stillgelegt. So z. B. die Vorhaben der Stadt Stuttgart und Mannheim. H2-ready ist für private Größenordnungen nur eine Illusion: Wasserstoff bleibt für Privathaushalte selbst 2040 noch unbezahlbar, da er in vielen anderen Anwendungen nicht ersetzt werden kann. Für den Bedarf an Niedertemperaturwärme in den eigenen Räumlichkeiten jedoch schon, durch die bereits genannte Wärmepumpe.
Wichtig ist Wasserstoff vor allem für die energieintensive Industrie und den Flugverkehr.
Für den deutschen Staat und die EU generell gelten ähnliche Kostengründe. Viel wichtiger bleibt aber die Unabhängigkeit und damit die eigene Versorgungssicherheit. 2024 zahlte die EU insgesamt 20,7 Mrd. € für fossile Energieträger an Russland (im Vergleich: 19,6 Mrd. € Ukraine-Hilfe). Die EU finanziert also die russische Armee und muss daher selbst noch mehr in die eigene Aufrüstung investieren. Doppelte Kosten. Alternative Exportländer fossiler Rohstoffe sind durch ähnliche autokratische Systeme geprägt. Viel sinnvoller für Deutschland wäre es, die in 2024 angefallenen Importkosten für fossile Energieträger in Höhe von 64,6 Mrd. € in erneuerbare Energien zu investieren. Man zahlt keine hohen Summen für kurzzeitig verfügbare Energieträger, sondern investiert in langlebige, erneuerbare Infrastruktur, die über 30-40 Jahre saubere Energie liefert. Dies verlangen übrigens auch die Rahmenvereinbarungen zum 500-Milliarden-Pakt der Regierung. Denn nur so macht man sich unabhängig von der Laune einzelner Autokraten. Aus diesem Grund ist ein verstärkter Import von Fracking-Gas aus den USA widersprüchlich zum eigenen Ziel der unabhängigen Energieversorgung. Zu genau diesem Fazit kommt auch der unabhängige Thinktank Ember in seiner kürzlich veröffentlichen Studie zur sicheren Energieversorgung (Studie: Energy Security in an Insecure World, 22.04.2025).
Die Zukunft ist erneuerbar und kosteneffizient
Der Blick auf die Zahlen zeigt: Der Rückgriff auf Atomstrom oder die Vertiefung der Abhängigkeit fossiler Importe, besonders Gas, ist weder notwendig noch wirtschaftlich. Wer in Deutschland eine Renaissance der Kernkraft fordert oder die eigene Versorgungssicherheit erneut an fossile Energieträger bindet, ignoriert nicht nur die Kostenentwicklung und geopolitischen Risiken, sondern auch den volkswirtschaftlichen Nutzen eines intelligent ausgebauten erneuerbaren Energiesystems.
Die Stromgestehungskosten von PV-Anlagen liegen je nach Typ und Sonneneinstrahlung zwischen 4,1 ct/kWh (PV-Freiflächenanlagen) und 14,4 ct/kWh (kleine PV-Dachanlagen für den Eigenverbrauch). Windenergieanlagen erreichen 2024 Werte von 4,3 bis 10,3 ct/kWh. PV-Freiflächen- und Onshore-Windanlagen sind damit die günstigsten Stromerzeugungstechnologien in Deutschland (Studie: Fraunhofer ISE, Juli 2024, Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien).
Es ist höchste Zeit, in Deutschland und in der EU final ein kostengünstiges, unabhängiges Energiesystem basierend auf erneuerbaren Energien aufzubauen.
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