Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg muss in den nächsten Jahren deutlich beschleunigt werden, wenn das Bundesland beim Klimaschutz vorankommen will. „Es ist möglich, durch einen höheren Anteil Erneuerbarer Energien sowie eine gesteigerte Energieeffizienz auf Kohle- und Atomkraftwerke zu verzichten. Es braucht dafür aber auf Landes- und Bundesebene Regelungen, damit entsprechend auch Windenergie-, Wasserkraft-, Biomasse-, Solar- und Geothermieanlagen gebaut werden können“, erklärt Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der Plattform Erneuerbare Energien in Baden-Württemberg.
Zwar hat Baden-Württemberg im Bundesländervergleich „Föderal Erneuerbar“ auch in diesem Jahr aufgrund der eindeutigen Ausrichtung der Energiepolitik, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit und auch Förderprogrammen wieder sehr gut abgeschnitten, doch bei den tatsächlich gebauten Anlagen klafft eine große Lücke zum gesetzten Ziel und zu manch anderem Bundesland. „Wir brauchen für eine sichere, zukunftsfähige Energieversorgung dringend den massiven Zubau von Wind- und Solarparks auch hier im Südwesten“, ist Dürr-Pucher überzeugt.
Die Menschen wollen etwas für den Klimaschutz tun und kapieren, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien direkter Klimaschutz ist. „Wir setzten große Hoffnung in das neue Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) und die dort vorgesehenen Maßnahmen“, erklärt Franz Pöter, Geschäftsführer der Plattform EE BW. Seitens des Vereins und der Mitgliedsorganisationen wurden zahlreiche Vorschläge gemacht, um Energiewende und Klimaschutz voranzubringen. Das IEKK alleine wird jedoch nicht reichen. „Begleitend zur Umsetzung braucht es einen straffen Dialogprozess mit Unternehmen, Genehmigungs- und Planungsbehörden, der Landwirtschaft und den Natur- und Umweltschutzverbänden, um Hemmnisse gemeinsam aus dem Weg zu räumen. Es braucht einen sachlich-rationalen Umgang mit den erneuerbaren Energien insgesamt“, so Pöter. Wir benötigen schnell mehr Genehmigungen für Windenergie- und Wasserkraftanlagen, ebenso wie für Freiflächensolarparks, sonst wird der Umstieg auf eine saubere E-Mobilität und klimafreundliche Wärmeversorgung nicht gelingen.
Baden-Württemberg kann auch Windenergie
Baden-Württemberg kann alles – auch Windenergie. Das zeigen die rund 760 bestehenden Anlagen ebenso wie Unternehmen mit zahlreichen Arbeitsplätzen, die in der Branche beheimatet sind. Doch ist das Ausbaudefizit bei der Windenergie am offensichtlichsten, da so wenige neue Windräder gebaut wurden wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr. „Die Situation ist insofern dramatisch, als dass es auch keine genehmigten Anlagen in der Pipeline gibt. Die Genehmigungsprozesse für neue Windkraftanlagen brauchen Jahre. Wir brauchen hier einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, dass wir die Windkraft auch in Baden-Württemberg wollen“, sagt Dürr-Pucher. Es gilt hier Kompromisse und Zugeständnisse zwischen Natur- und Artenschutz, Raumplanung und Landschaftsschutz sowie der Energieerzeugung zu finden.
Die Wasserkraft ist traditionell eine starke regenerative Energiequelle in Baden-Württemberg. Doch neue Anlagen werden kaum gebaut. „Schon aus Gründen des Hochwasserschutzes können viele Querbauwerke in den Flüssen nicht zurückgebaut werden. An diesen Stellen ist durch eine zusätzliche energetische Nutzung in Verbindung mit ökologischen Maßnahmen wie einem Umgehungsgerinne eine win-win-Situation für Gewässerökologie und Energieerzeugung möglich“, so Dürr-Pucher.
Biomasse mit Potenzial
Im nachhaltigen Energieversorgungssystem spielt die Biomasse als gespeicherte, flexibel steuerbare Energiequellen eine gewichtige Rolle. Zumal diese für Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt wird. „Es gibt in den Wäldern Baden-Württembergs noch einiges, bislang ungenutztes Potenzial für eine energetische Verwertung in hocheffizienten, neuen Holzheizkraftwerken und Pelletöfen“, so Dürr-Pucher. Bei Biogasanlagen muss der Fortbestand der Anlagen durch eine auskömmliche Förderung, die an ökologische und systemrelevante Beiträge gekoppelt ist, gesichert werden. „Wir können es uns nicht leisten auf die Bioenergieerzeugung zu verzichten“, so Dürr-Pucher.
Geothermie und Solarenergie mit positiven Vorzeichen
Die Nutzung der Erdwärme aus den tiefen Gesteinsschichten am Oberrhein macht Fortschritte. „Baden-Württemberg sitzt hier auf einem Juwel, der gerade als Ersatz für die Fernwärme aus den großen Kohlekraftwerke an der Rheinschiene genutzt werden kann“, erklärt Dürr-Pucher. Mit einem Juwel muss man sorgsam umgehen. Die Branche hat aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und mit neuen Bohrverfahren und Technologien ist die Tiefengeothermie verlässlicher Bestandteil der Energiewende.
Einen ordentlichen Zubau verzeichnete 2019 auch die Solarenergie. Der Ausbau bleibt dennoch weit hinter den Potenzialen zurück. „In den ersten Boomjahren hatten wir einen Zubau von rund 1.000 Megawatt pro Jahr alleine in Baden-Württemberg. Dahin müssen wir mindestens wieder zurück“, erklärt Franz Pöter. Zumal die Stromerzeugungskosten der Photovoltaik mittlerweile zu den günstigsten gehören und neue Anlagen sich faktisch kaum noch auf die EEG-Umlage auswirken.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat in der Vergangenheit an manchen Stellen gehakt. Es ist höchste Zeit, dass es einen parteiübergreifenden, gesamtgesellschaftlichen Konsens nicht nur über die Notwendigkeit der Energiewende, sondern vor allen Dingen auch für die Umsetzung gibt. „Das wäre mein großer energiepolitscher Wunsch für 2020“, so Dürr-Pucher, „damit es mit 7-Meilenstiefeln bei Energiewende und Klimaschutz im Südwesten vorangehen kann.
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Über die Plattform EE BW
Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg e.V. ist eine Dachorganisation der Verbände und Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg. Der Verein wurde im März 2019 gegründet und setzt sich für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien und die sektorenübergreifende Umsetzung der Energiewende in Baden-Württemberg ein.
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